1. Fristlose Kündigungen wegen Poor Performance
Entscheidungen des Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven vom 14.12.2023 (2 Ca 2206/23 und 2 Ca 2207/23)
a) Was ist passiert?
Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat die Klagen zweier Servicemitarbeiter:innen des Bürgertelefons Bremen gegen ihre sofortigen Kündigungen abgewiesen. Die Kündigungen erfolgten aufgrund extrem niedriger Telefonzeiten (zwischen 16% und 35% statt der erwarteten 60% der Arbeitszeit), die das Gericht als vorsätzliche Vernachlässigung der Arbeitspflicht bewertete.
Obwohl zwischen Arbeitgeber und den gekündigten Mitarbeitenden die gerichtliche Verwertbarkeit der Datenauswertung des Telefonverhaltens umstritten war, erachtete das Gericht sie als zulässig. Dies war zum einen verfahrenstechnisch dem Umstand geschuldet, dass der Personalrat zugestimmt hatte. Das Gericht sah indes keinen Zusammenhang zwischen den Kündigungen und einer möglichen Gewerkschaftsmitgliedschaft der Kläger:innen. Darüber hinaus wird bei der Frage von Beweisverwertungsverboten regelmäßig eine Einzelfallabwägung durch das Gericht durchgeführt: Welche Interessen und Rechtsgüter welcher Parteien haben hier höheres Gewicht? Denn es wäre rechtsmissbräuchlich, wenn Informationen, die grundsätzlich nicht der allgemeinen Sozialsphäre zuzuschreiben wären, immer dazu führen würden, dass sie gerichtlich nicht verwertbar sein können. Dies ist das alte Wo-kämen-wir-denn-sonst-hin Argument, das die Gerichte gerne bei der Abwägung einer Rechtsfrage zwecks Entscheidungsfindung heranziehen.
b) Worauf sollten Sie achten?
Formulieren Sie als Arbeitgeber Key Performance Indicator (KPI’s) und dokumentieren Sie diese sorgfältig (Definieren Sie Prozesse und weisen Sie einem Mitarbeiter diese Aufgabe zu). Diese Dokumentation sollten Sie als Zusatz zur Tätigkeitsbeschreibung des Arbeitsvertrags hinzuziehen. KPI’s sind zum einen Performance Incentives und zum anderen aber definierte Performance Benchmarks, deren arbeitsvertragliche Vereinbarung zweckmäßig und rechtlich zulässig ist. Dies gilt insbesondere für solche Tätigkeiten, die sich der sozialen Kontrolle und unmittelbaren Wahrnehmung des Arbeitgebers oftmals entziehen und daher tendenziell schwerer messbar sind. Dies gilt weniger im Bereich Sales und Procurement, sondern in weniger durch Zahlen skalierbaren Bereichen Ihrer Organisation wie Kundenservice und Customer Experience Tätigkeiten.
2. Meinungsfreiheit endet dort, wo eine Bedrohungslage beginnt – Facebook-Post zieht verhaltensbedingte Kündigung nach sich
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 07.10.2024 (59 Ca 8733/24 und 59 Ca 11420/24)
a) Was ist passiert?
Das Arbeitsgericht Berlin hat kürzlich die ordentliche Kündigung eines BVG-Bediensteten bestätigt, der in einer Facebook-Gruppe mit über 1.000 Mitgliedern ein kontroverses Bild gepostet hatte. Die Fotomontage zeigte einen knienden Mann mit ver.di-Logo, auf dessen Kopf eine Pistole gerichtet war, betitelt mit „VER.DI HÖRT DEN WARNSCHUSS NICHT!“.
Sieben Gewerkschaftsfunktionäre fühlten sich dadurch bedroht und beschwerten sich. Das Gericht sah in dem Beitrag eine Überschreitung der Grenzen zulässiger Meinungsäußerung, eine konkrete Bedrohung für Gewerkschaftsmitglieder und eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens. Obwohl die fristlose Kündigung abgelehnt wurde, bestätigte das Gericht die ordentliche Kündigung und unterstrich damit, dass die Meinungsfreiheit von Arbeitnehmern auch in sozialen Medien Grenzen hat, besonders wenn Äußerungen als bedrohlich wahrgenommen werden können.
b) Worauf sollten Sie achten?
Formulieren oder erweitern Sie als Arbeitgeber Ihren Code-of-Conduct und legen darin absolute No-Go’s fest. Absolute No-Go’s oder Red-Flags können Verhaltensweisen sein, die sich mit Ihren Unternehmenswerten schlechterdings nicht vereinbaren lassen. Warum sollten Sie das tun? Sie haben dann mehr in der Hand. Und nicht nur einen ethisch-moralischen Verstoß gegen die guten Sitten, sondern einen handfeste Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten, auf Basis derer Sie rechtssicher und gerichtsfest Weiterungen gegen Meinungsäußerungsexzesse vornehmen können.
3. Und schließlich ein BGH-Hammer: Geschäftsführer können Karenzentschädigung komplett verlieren
BGH-Urteil vom 23. April 2024 (Az. II ZR 99/22)
a) Was ist passiert?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine bedeutende Entscheidung zur Karenzentschädigung bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für GmbH-Geschäftsführer gefällt. Das Gericht bestätigte die Wirksamkeit von Vertragsklauseln, die einen rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot vorsehen. Dabei stellte der BGH klar, dass für GmbH-Geschäftsführer, im Gegensatz zu Arbeitnehmern, keine zwingende Karenzentschädigung vereinbart werden muss. Wird eine solche Entschädigung vereinbart, können die Parteien deren Höhe und Bedingungen frei festlegen. Der BGH sah in dieser Regelung keine unbillige Belastung für den Geschäftsführer. Diese Entscheidung stärkt die Position von Unternehmen bei der Durchsetzung von Wettbewerbsverboten gegenüber ehemaligen Geschäftsführern und bietet Rechtssicherheit hinsichtlich der Gestaltung entsprechender Vertragsklauseln.
b) Worauf sollten Sie achten?
Für beide Seiten, der GmbH und dem Geschäftsführer, gilt bei einem GF-Anstellungsvertrag, der deutschem Recht unterliegt, besonderes Augenmerk auf die Rechtsfolgen des verklausulierten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zu legen – und zwar bis zum Ablauf des letzten Tages der Karenzzeit. Der BGH gibt damit dem Rechtsanwender an die Hand, dass der Grundsatz “Verträge sind einzuhalten” gilt und die Klauseln im zweifeln buchstäblich zu verstehen sind.